CEMS (CynthiaEndlicherMichaelSchwertsik)
Definitiv: Kunst!
Das Duo CEMS | Michael Endlicher Cynthia Schwertsik | dekonstruiert in seinen Aktionen das System Kunsttheorie mithilfe eines Kanons neu erfasster Kunstrichtungen, dessen zugrunde liegendes Glossar: Von Arcadientia bis Zöllitrophismus sukzessive erweitert wird (mit dzt. 21 Einträgen, Anfang 2019). Seit 2018 arbeiten die beiden daran, dieses in ein Videoglossar überzuführen. Derzeit sind 3 Videos zu sechs Einträgen erschienen:
CEMS_Das Glossar_1
CEMS_Das Glossar_2
CEMS_Das Glossar_3
Vor und mit Publikum werden die Kunstbegriffe – z.B. Lavouriplenkunst, Hollibusta Art, Sisolwenztheorien – in performative Akte und bildnerische Artefakte übersetzt. CEMS arbeiten sich ab an der Quadratur des Kreislaufs „Kunst machen – Kunst bewerten – Kunst vertreiben – Kunst machen“. Aus dem monolithischen Referenzsystem der Kunstgeschichte türmen sich neugeborene Wortsysteme und reiben sich an Performance, Videokunst und Street Art. Im Sprechakt verschwimmen die hermetischen Wortwolken zur akustischen Buchstabensuppe der Kunstgeschichte. CEMS präsentieren Definitionsprozesse in der bildenden Kunst als radikal subjektives Zuschreibungsverfahren, in dem die Bewertungen jeweils nach Kommen und Gehen der theoretischen Standpunkte und künstlerischen Verfahren fließend durchmischt werden. Ergebnis: Eine Verortung des Kunstbegriffs in der Zeit (der Aktion).
> On the Brink of Huloquienic Times. A Reenactment by CEMS, Kunstraum SUPER, Wien, November 2023
In einer ephemeren Rauminstallation materialisierte sich Eintrag 6, Huloquienic Art, aus dem CEMS-Glossar:
Sein oder Nichtsein – jedenfalls ohne den Menschen. In der Huloquienic Art manifestiert sich ein kollektives Unterbewusstsein des Universums, materialisiert sich das evolutionäre Pathos des Urknalls. Was ist zu tun? Rechnet zurück in der Zeit bis weit vor die Menschwerdung bzw extrapoliert die herrschenden Untergangsszenarien in eine ferne Zukunft ohne Homo sapiens. Der Kunstraum, unendliche Weiten...
> Konzeptuelle Poesie, Schwertsik + Endlicher + CEMS, GPLcontemporary, Wien, November 2023
Die Ausstellung in der Wiener Galerie vereinigte erstmals Arbeiten der beiden CEMS-Hälften sowie Artefakte aus deren CEMS-Geschichte. Zu Arbeiten und Arbeitspraxis der Künstler sprach Wolfgang Giegler.
> Definitiv Kunst! Aktuell: Syntoplexie - eine transkontinentale Performance by CEMS, basement, Wien, Mai 2023
Konzeptuelle Ratlosigkeit gedeiht in Biotopen radikaler Dekonstruktion von Theorie und Praxis. Komplexitätswahn und hermeneutische Entropie neutralisieren jedes formale Anliegen, jede kritische Aussage und jedes ästhetische Versprechen. Redundanz rules und löscht jegliche Visualisierung. Das Werk existiert nur mehr in der Vorstellung.
Gleichzeitig wird in Adelaide und in Wien - 7, 5 h zeitverschoben – jeweils einer mit Syntoplexie, Eintrag Nr. 17 aus dem Glossar Von Arcadientia bis Zöllitrophismus, beschriebenen Faxpapierrolle eben dieser Text ausgebügelt, die weiße Unterlage gleichsam geschwärzt. CEMS finden somit auch für Syntoplexie eine einprägsame Umsetzung.
> Definitiv: Kunst! Eine Bestandsaufnahme, CEMS bei: Die rote Wand, Künstlerhaus 1050 Wien, Dezember 2018
Vor dem Publikumsgespräch wurde CEMS_Das Glossar_ 2 gezeigt sowie live die Parallelschreibe-Performance Am Definitivsten zwischen Adelaide und Wien performt. Die begriffliche Einordnung dieser Aktion in das Glossar deutet auf Lavouriplenkunst, muss aber noch final verifiziert werden.
> Das Archiv als Garten. Der Garten als Archiv bei #TullnART – Garten der Künstler, Rathaus/Minoritenkloster Tulln, Sommer 2018.
Nach einem Künstler*innengespräch zum Thema Archiv wurde das Theorieglossar Von Arcadientia bis Zöllitrophismus vorgestellt und Teil 1 der filmischen Archivierung des Glossars präsentiert. Zu sehen war auch eine Auswahl an Theorieschlipsen.
> Wrecked in Salvation |CEMS-Performance im Rahmen von Funkenflug 8 im Künstlerhaus 1050 Wien, September 2017.
Die Aktion wird dem Eintrag 12, Postkapitalistischer Ambivalenzaktivismus im CEMS-Glossar zugerechnet. Sie fand mit und unter der CEMS-Installation Wreckipedia im Rahmen der Gruppenausstellung Andere Geschichte(n) statt, die von September 2017 bis Februar 2018 lief.
> Wider das Zuckerbergmonopol | Performance & Display by CEMS, Werkstadt Graz, Juli 2015.
Als theoretischer Hintergrund aus dem Glossar fungierte in Graz die Buthophottie: In der Performance vor der Galerie wurden Habseligkeiten der PassantInnen in Würfelzuckerwürfeln aufgewogen; in der Galerie dokumentierten Zuckerwürfelskulpturen das fragile energetische Gleichgewicht der Aktion. Darüberhinaus zeigten CEMS erstmals Theorieschlipse.
> Running Theory Generation | Performance & Display by CEMS im neuen GPL SPACE IV, Wien, Juni 2015.
Die Performance stand im Zeichen des Eintrags Nr. 18 im Glossar, der Kunstrichtung Valoakuvaajarottamena, die von CEMS mit Hilfe des Publikums bestritten wurde. Außerdem stellten die beiden die neuen Theoriekissen vor; die Tischinstallation Es ist angerichtet bot den BesucherInnen eine Zusammenschau des Glossars in Definitionen und Objekten.
> Referentieller Querverweis: Ich brauch Tapetenwechsel! CEMS im MUSA
Die CEMS-Intervention mit Christoph Braendle als Konferencier fand innerhalb der Ausstellung Die Siebziger Jahre. Expansion der Wiener Kunst des MUSA Wien, am 22. November 2013, im Rahmen der Vienna Art Week statt. Sie ist einer 18-minütigen Videodokumentation erfasst.
Die vierte Intervention des Künstlerduos CEMS bestand aus fünf Elementen, die fließend ineinander griffen.
1. Definitionen als Artefakte
Die Begriffe waren jeweils in „konzeptuell ausgewählte“ Tapeten geschrieben, diese Bahnen in der Ausstellung an thematisch relevanter Stelle platziert – frei von der Decke hängend und dabei neue Räume und Wege andeutend, sodass die Besucher „zwischen den Begriffswelten pendeln“ konnten. Während die Begriffe nach außen wiesen, waren auf den Innenseiten die Definitionen – in Handschrift verfasst – zu lesen.
2. Der Conférencier
Der aus der Schweiz gebürtige, seit langem in Wien lebende Schriftsteller Christoph Braendle hielt nicht nur das Eröffnungsstatement, sondern führte auch anhand konkreter Arbeiten aus der MUSA-Ausstellung in die vergleichende CEMS-Kunsttheorie ein. Die Ausführungen des prominenten Nicht-bildenden-Künstlers – die sich den üblichen Floskeln bei Eröffnungsreden widersetzten – spiegelten nicht zuletzt die CEMS-Kritik an der hermetischen Kunst(berichterstattung) wider.
3. Das spielerische Element
Auf einem Tisch waren große Mengen Buchstabensuppenbuchstaben ausgestreut, die Besucher eingeladen, dort nach Lust und Laune „diskursiv zu spielen“. Tatsächlich wurde begeistert mit den Buchstaben gearbeitet: (neue Begriffe) buchstabiert, sortiert, gefühlt, Muster gelegt, aber auch kreativ entwendet und sogar verkostet. Diese Fingerübungen wurden via Kamera live auf eine vom Tisch aus nicht einsichtige Leinwand übertragen und somit digital gespiegelt.
Diese Station war als selbsterklärendes Beispiel der Soziophanten Internationale (Nr. 14 im Glossar) konzipiert:
Von wegen Künstler: Jeder ist ein Diskurstheoretiker, hätte Beuys heute gesagt. Die Nullerjahre brachen eine antididaktische Revolution gegen die Hegemonie der selbsternannten Diskurspäpste und ihrer kastrierten Zwangsintellektualität vom Lattenzaun. Leider verfingen sich deren VerfechterInnen jedoch selbst in hermetischen Metaphernlabyrinthen und redeten dabei auch noch dem mittlerweile west-östlichen Götzen Kunstmarkt nach dem Krakenschnabel. Als protopartizipative Gegenbewegung ist die Soziophante Internationale zur demokratischen DIY-Ermächtigung des weltumspannenden Künstler- und Betrachterprekariats geworden: Kampf den Theoriepalästen! Friede den Autodidaktenhütten!
4. Die akustische Tapete
An einem zweiten Tisch an anderer Stelle wurden von den Künstlern und vom Publikum während der Aktion die Begriffsdefinitionen vorgetragen und via Lautsprecher in den Raum geworfen. Dieser "Theorie-Loop" wurde zur akustischen Tapete der Aktion.
5. Kleinartefakte und CEMS-Fundus
An anderer Stelle waren die „Handouts“, mit CEMS-Theorie bedruckte Tapetenstücke, aufgelegt und Beispiele bisheriger CEMS-Artefakte, die in vorangegangenen Aktionen entstanden waren, in einem Glaskubus ausgestellt.
Es ist dem MUSA zu verdanken, dass es den beiden Künstlern Schwertsik und Endlicher seine Sammlung zur Verfügung stellt, um aufzuzeigen, wie gerade in den 70er Jahren auch in Österreich künstlerische Positionen explodierten und welche Vielfalt an Inhalten und Ausdrucksmitteln dabei entstand. Diese Ausstellung erlaubt es Cynthia Schwertsik und Michael Endlicher, ihr Referenzsystem zu verwurzeln: was heute in den Schubladen ihrer neuen Begrifflichkeit liegt, war damals noch der Ausdruck einer gewaltigen Vereinzelung. Anders ausgedrückt: was heute in den zahllosen Ateliers rund um die Welt herum geschaffen wird, stützt sich auf Ahnen, auf Vorbilder und auf erste Gehversuche der Kunst auf einem langen Weg her zu einer Gegenwart, die den künstlerischen Ausdruck vollständig entfesselt sieht. (Christoph Braendle)
Helmut Ploebst verfasste im Standard dazu den Artikel Kastrationsangst in der Parallelwelt.
> WZIK! (Wir Zertifizieren Ihre KUNST!) Von und mit CEMS
bei METAmART/Die Marktmodelle, Künstlerhaus Wien, November 2011 bis Februar 2012
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe GelegenheitskäuferInnen, SammlerInnen, GaleristInnen, AusstellungsmacherInnen und MuseumsleiterInnen: Wie Sie wissen, ist heute nur mehr systematisch ausdefinierte Kunst auch wertbeständige Kunst. Wir laden Sie ein, Ihre Kunstwerke, Ausstellungen oder Sammlungskonzepte einer kunsttheoretischen Zertifizierung zu unterziehen. CEMS erstellen ihre Expertisen auf Basis des permanent im Wachsen befindlichen Glossars der neuen Kunstdefinitionen für den globalen Kunstmarkt des 21. Jh.: Von Arcadientia bis Zöllitrophismus. Nach vollzogener Klassifizierung besiegeln CEMS mit einem Zertifikat die eindeutige Positionierung Ihres Werks im neuen Kunstkanon. Dann hat Ihre Kunst tatsächlich Zukunft. (CEMS)
> Definitiv: Kunst! Eine unerhörte Aktion von CEMS
23. und 24. September 2011, Museum der Unerhörten Dinge, Berlin
Die Besucher von Definitiv: Kunst! waren eingeladen, persönliche Artefakte – objects trouves, Alltagsgegenstände oder was auch immer an geliebten oder gehassten Dingen – in das Museum mitzubringen. CEMS transformierten alles in Kunst. Theoretisch lag der Aktion erstmals Von Arcadientia bis Zöllitrophie, das von den beiden entwickelte Glossar an neuen Kunstdefinitionen bzw. –richtungen zugrunde. Beispiele zu daraus entnommenen Begriffen waren in der Ausstellung zu sehen, neue entstanden aus den eingebrachten Dingen vor Ort. Durch das mehr oder weniger standardisierte Eingreifen der Künstler in Zusammenarbeit mit dem Überbringer wurde die Verwandlung seines Dings in die jeweils neue Kunstform vollzogen. Die Kunstwerke erhielten das offizielle CEMS Künstlersiegel und wurden an die Einbringer retourniert, für die Signatur der Künstler eine geringe Schutzgebühr eingehoben.
> Charta Incognita - gezinkte Karten? CEMS bei UnORTnung VI
im ehemaligen Kartographischen Institut, 1080 Wien, November 2010
In Boden, Wand und Decke auffindbare Abriss- und Verfallsspuren in den Räumen des ehemaligen Kartografischen Instituts gemahnen an Kartendarstellungen, an eingeschriebene, surrealistische Arbeitsproben der angesehenen Institution. Diese werden durch Bilderrahmen zum „gefundenen Kunstobjekt“ aufgewertet. Mit dem Verweis auf Karten als Konstruktionsmittel von zurecht-gewünschten oder imaginären geografischen Paradiesversprechen bringen Schwertsik und Endlicher unter Einbeziehung der Besucher – diese werden eingeladen, persönliche „Karten“ zu entdecken und von den Wänden abzunehmen – eine Metaebene von Sehnsucht und Gedankenflucht ins Spiel. Die Spuren der Vergangenheit des institutionellen Raums werden zu einer wehmütigen Vorschau auf seine zukünftige Nutzung als Altenheim inklusive transzendentalem Überbau. (Pressetext)