Signs and Letters
Entscheidend für das einzelne Textbild und die Symbiose von Schrift und Bild ist neben der Auswahl der Begriffe die Wahl und Anordnung der Wörter, Linien oder Zeichen. Das gelingt Endlicher besonders überzeugend mit seinen neuen Buchstabencollagen („signs“). Durch Überlagerung sind die einzelnen Buchstaben ihres ursprünglicheren verbalen Sinns beraubt; sie werden zu rätselhaften Zeichen, die an Codes von Graffiti-Künstlern erinnern, aber auch an eine abstrakte, geometrische Malerei – in ihrer Verdichtung aber jedenfalls einen neuen ästhetischen Sinn erhalten. Ein reizvolles Wahrnehmungs- wie auch Ratespiel, den es macht Lust zu ergründen, welche Buchstaben jeweils zur Anwendung gekommen sind. So entsteht eine vielfältige Bilderserie in sehr unterschiedlicher malerischer Umsetzung, mit strengen Linien und rauen oder dünn lasierten Flächen, mit lauten und zurückhaltenden, wild verspielten und fein zarten Partien. (Günther Oberhollenzer, Zeichen setzen)
Abecedarian Painting
Eine Konstante in der künstlerischen Arbeit von Michael Endlicher liegt in der Beschäftigung mit Sprache. Nun dringt Endlicher in einen elementaren Teilbereich vor: Es ist die Fokussierung auf den einen Buchstaben, auf das rein Zeichenhafte eines Alphabetfragments. Es sind die Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen einer bestimmten Schablonen-Schriftart, auf die sich Endlicher beschränkt. Auf standardisierten weiß gemalten Leinwänden sprayt Endlicher je einen Buchstaben dem Druckprozess gleich in Schwarz. Der Massenproduktion enthoben sind die Einzelteile dieser Serie aber durch individuelle Schattensetzungen, Farbergänzungen und einen teils groben Farbauftrag, der an die Spontanität von Street Art erinnert. Die Buchstaben-Leinwände können immer neu nebeneinandergesetzt werden, dem Setzkastenprinzip entsprechend schließt sich der Kreis, Worte und Texte können – und sollen – entstehen.
Doch Michael Endlicher treibt das Isolieren und Individualisieren der Buchstaben, der Satzzeichen noch weiter, er kombiniert diese neu. Er setzt einzelne Buchstaben übereinander, Buchstaben, die in Nebeneinanderstellung Sinn ergeben könnten, oder in anderen Fällen vielleicht nur Assoziationen hervorrufen wie A und Z, wie der Anfang und das Ende. So entstehen unbekannte Zeichen, „signs“, wie Endlicher diese Serie nennt. Es ist ihm gelungen, dass wir in der Rezeption dieser malerischen Buchstabenüberlagerungen erst einmal sprachlos bleiben, zuerst die von ihm geschaffene Ästhetik der Zeichen wahrnehmen und dann erst wieder zur Sprache, zum Sinn finden. Gelingt die Interpretation der Zeichenverdichtung jedoch nicht mehr, wirkt der visuelle Eigenwert des Neo-Buchstabens, eine künstlerische Setzung, die sich einer alltäglichen Entindividualisierung entzieht.
(Manuel Kreiner, Kunsthistoriker und freier Kunstvermittler u.a. am KHM Wien)