Zu den Votivbildern von Michael Endlicher
Jede gute Geschichte ist natürlich Bild und Gedanke in einem, und je inniger beide verwoben sind, um so besser ist das Problem gelöst.
Guy de Maupassant
Diese Behauptung läßt sich auch umkehren: Jedes gute Bild ist natürlich Geschichte und Gedanken in einem. Und je inniger beide verwoben sind, desto besser ist das Problem der Bildfindung gelöst. An diesem Punkt, an dem Konzept und Malerei, Gedanke und Bild aufeinander treffen, setzt die Arbeit von Michael Endlicher an. Besser gesagt: dieses Aufeinandertreffen ist Ausgangspunkt, Frage, Weg und Ziel seiner Arbeit. Welcher innerer Zusammenhang besteht zwischen Bild und Wort? Welche Gesetze, Wechselwirkungen, verbinden oder trennen sie? Was ist mit Bild gemeint? Ein Gemälde, eine Idee, eine Metapher, eine Vorstellung? Wie „sicher“ ist ein Wort?
In den ersten Votivbildern hat Michael Endlicher den Begriff „Tafelbild“ wörtlich genommen: steintafelschwer, mit monotoner Farbigkeit, an Gesetzestafeln erinnernd, von nahezu sakraler Präsenz; Worte eingeschrieben, eingebrannt, herausgestanzt. Worte, nicht so sehr als Visualisierung von Sprache, sondern vielmehr, um das Entstehen von Bildern aufzuzeigen. Worte, die ihren Anteil an einem möglichen, erst zu realisierenden Bild haben.
Die Worte bleiben immateriell und erzeugen Raum im doppelten Sinn: formal und gedanklich. Die Beziehung der beiden Worte (geografische, historische, spirituell-religiöse, alltägliche, musikalische, absurd-assoziative, ...) oder Jahreszahlen zueinander schafft den Raum, der Bilder entstehen läßt.
Dominiert in diesen früheren Arbeiten noch das nahezu ungebrochene Vertrauen in die Kraft der antithetischen „4 letter words“, verschiebt sich das Verhältnis (bei gleichbleibender Lust am Spiel mit der Sprache) zunehmend zu Gunsten des Malerischen. Ausgelotet wird nun die Beziehung zwischen Worten, Farben und Formen; das Prinzip „Farbe“ gegen die „Nichtfarbe“ der herausgestanzten Buchstaben; das Kräftemessen zwischen „Konzept“ und „Malerei“.
Beim Wort genommen hat Michael Endlicher auch die Gegenständlichkeit des Bildes: der Betrachter wählt die Hängung des Bildes, wählt die Lesbarkeit des Wortes. Der Betrachter ist direkt „angesprochen“, gefordert und beteiligt am offenen Prozess der Bildfindung. Hier setzt auch die Reminiszenz an das religiöse Votivbild an: der Künstler verspricht (innere) Bilder für diejenigen, die ihren Teil der Arbeit am Kunstwerk verrichten.
Brigitta Höpler, 2002. Kunsthistorikerin, Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern, Texte und Kinderbücher zum Thema Kunst.