It’s the poetry, stupid!




Galerie Peithner-Lichtenfels, Sonnenfelsgasse 6, 1010 Wien, 25.04. – 05.06.2014

Soloshow über alle drei Ebenen der Galerie. Auf der untersten war meine Installation high level basement zu sehen, die in Zusammenarbeit
mit den Gästen Christian Stock, Christoph Freidhöfer/Paul Gründorfer und Natalie Deewan entstand.
Die zweite Ebene präsentierte neue Textbilder und das neue Video LEIBHAFTIG PLURIFAKT. Ganz oben waren auschließlich Bleche aus unterschiedlichen Werkgruppen ausgestellt,
inklusive der neuen Kopfbleche.
Bei der Eröffnung sprach Christoph Urwalek, bildender Künstler und ehem. Univ. Prof. für Kunst und Kommunikation an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu den Arbeiten.

 

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Gott4 Alfabet7 und3 sein4 Knecht6 Endlicher= 33

Der umfassend unendliche Herrgott Allah Faber, kurz: Gott Alfabet spricht zu uns träger Masse in Bildern/Wörtern/Rätseln und
zwingt uns seine Lettern auf: aufs Maul nämlich förmlich wörtlich und buchstäblich: Buch für Buch, Stab für Stab bewandern wir, mäandern wir
und schlagen uns durch wüste Ländereien, unendliche Litaneien, die ein Stück des Weges mit uns gehen. Wie? Was? (It’s the poetry, stupid!)
Nicht nur wird stupende Dichtung in die weite Welt gesetzt, auch an die weiße Wand wird sie genagelt und in Farbe überführt.
„Und das Wort ist fleischfarben geworden und hat über uns gethront.“ Konzepte werden so empfangen und stante pede aufgehängt,
aus der Wiege an den Nagel, aus dem Leben an die Wand.

Natalie Deewan


Sprachliche und bildliche Bedeutungsproduktion, ihre Wahrnehmung sowie ihr Wandel im Kontext unterschiedlicher Medien stehen im Zentrum
von Michael Endlichers künstlerischer Arbeit. Sowohl die Sprache der Kunst als auch die Sprache über Kunst erfahren in seinem Werk neue Bedeutung:
durch die Revision gängiger theoretischer Begriffe und künstlerischer Theorien sowie den Einsatz poetisch-kryptografischer Methoden. Die Arbeiten
thematisieren inhaltlich wie formal Grenzen und Vernetzungen zwischen den Bereichen Malerei, Literatur und Text, aber auch zwischen Fläche und Form,
Offenheit und Geschlossenheit, Objekt und Konzept sowie Kunstproduktion und Kunstkritik.

Auf allen drei Ebenen der Galerie Peithner-Lichtenfels lassen sich die kontextuellen Verfahren Endlichers in unterschiedlichen Ausprägungen nachvollziehen.
Auf Straßenniveau regiert das Blech, ein bewährtes Material des Künstlers, nicht zuletzt Träger der Dramenbleche, eine Art Signatur des Künstlers. Erstmals
werden dabei die über ihre Zahlenwerte verschlüsselten Dreiwortdramen in bzw. über Bilder geprägt. Endlicher hat dafür einige der„berühmtesten, immerwährender
Nacheiferung würdiger Kriegsfürsten und Feldherren Österreichs“ aus der Feldherrenhalle des Heeresgeschichtlichen Museums fotografisch porträtiert.
Entstanden sind Überschreibungen bildlicher und textlicher Narrative, die sich wechselseitig potenzieren.

In der mittleren Etage der Galerie dann eine zentrale Arbeit aus dem Litanei-Komplex Endlichers. Er verfasst Texte in Ich-Form, die er zumeist selbst präsentiert
und zu Videos, Malereien, Spiegelobjekten und wie erstmals zu sehen, auch zu Siebdrucken verarbeitet. Dabei wird Textkritik als ein poetisches Verfahren assoziiert:
Endlichers gefundene bzw. erfundene „Kunstworte“ münden durch konsequente Repetition in surrealistische Bedeutungen und reiben die evokative Aussage
der Texte an der Bildhaftigkeit der Schrift, sei es im ruhenden oder bewegten Bild. Im neuen Video LEIBHAFTIG PLURIFAKT erscheint Endlichers programmatischer
Text Ich bin ein plurifakter Künstler, eine Litanei mit erfundenen Künstlerattributen, als Einschreibung auf an- und abschwellenden antropomorphen
Manifestationen eines albtraumhaften Kaleidoskops, gefertigt aus dem Körper des Künstlers, sowohl digital am Monitor, als auch analog an die Wand gesprayt.
Aber auch neue Texttafelbilder sind da zu sehen, deren oft verschlüsselte Botschaften, in diesen Fällen vom Künstler vorgefundenes Buchstabenmaterial,
„konzeptuell vermalt“ wurden. Gemeint ist damit das Bestreben, sich völlig der Aussage des betreffenden Texts im Bild zu unterwerfen und daraus eine einzig
mögliche und somit singuläre optische Umsetzung pro Bild zu entwickeln. Dadurch entziehen sich die Bilder jedoch, wie gemeinhin üblich am Kunstmarkt,
mutig einer formalen Wiedererkennbarkeit als Serie.

Auf der dritten, tiefsten Ebene wird man Zeuge eines neuen Experiments der Galerie. Allein ausstellende KünstlerInnen laden sich Gäste ein, um einem
konzertierten Zusammenspiel zu frönen und dabei die eindrucks- und anspruchsvollen Räumlichkeiten der Galerie jenseits des White Cubes zu thematisieren.
Endlicher und Kollegen – Christian Stock, Natalie Deewan und das Duo Christoph Freidhöfer/Paul Gründorfer – setzen dabei ausschließlich auf den Boden,
er hat schließlich alles zu (er)tragen. Ein Originaltext zu Text in der bildenden Kunst im allgemeinen und in Endlichers Bildern im speziellen (von Martin Prinzhorn)
wird nun von Endlicher auszugesweise als gesprayter Lesepfad von Objekt zu Objekt geführt: Zu den cube paintings von Christian Stock, über die Jahre hinweg gleichsam
rituell bemalte Leinwände, die durch unermüdliche Farbaufbringung die Zeit zu auratischen Farbwürfeln verdichten. Dazu bemalt Stock für jede Farbschicht
ein Blatt Papier. Jedes fungiert als eine Art Zertifikat pro Arbeitsschritt, und wird fein säuberlich geschichtet in extra angefertigten Zettelkästen dem cube zuordnet.
Natalie Deewan hat ihre „poetologischen Kontextpapiere“ (siehe Eingangszitat) ebenfalls aufgeschichtet, wobei diese jedoch zur freien Entnahme – dringend – empfohlen werden.
Und last not least erheitert ottos mops, ein sprechender und zwanglos im Saal herumschweifender Miniroboter die Andacht Suchenden mit ihren eigenen,
zuvor heimlich aufgenommenen Kommentaren oder mit den üblichen hermetisch codierten und weitgehend unverständlichen Zitaten aus der weiten Welt der Kunstrezeption.

Dieses ist ein weiteres Lieblingsthema Endlichers, dessen Textdenken und -tun immer an einen oder an mehrere Adressaten gerichtet sind: entweder an die RezipientIn,
an sich selbst, oder, im erweiterten Sinn, als Kritik an kunstinstitutionellen Strukturen. So hinterfragt er die Gültigkeit persönlicher und allgemeiner Rollenbilder innerhalb
des Kunstkontexts. Er lanciert einen Rezeptionsprozess, der sich von Buchstabe zu Buchstabe, von Wort zu Wort, von Satz zu Satz und von Wiederholung zu Wiederholung
– über den Moment des Betrachtens und Lesens hinaus – fortsetzt: im Sinne der Provokation, der Aufforderung und – zuweilen auch – der Vermittlung. Wir sollten
dieses Stück des Weges mit ihm gehen.


(Pressetext)